Als „sicherer Hafen“ - Georgsmarienhütte ist seit 2020 Teil der Flüchtlingsinitiative „Städte Sicherer Häfen“ - sind das Willkommen heißen und die Unterstützung von Geflüchteten bei der Stadt Georgsmarienhütte an sich kein ganz neues oder ungewöhnliches Thema mehr. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine hat die Stadt Georgsmarienhütte über die Verteilquote hinaus afghanische Ortskräfte genauso aufgenommen, wie viele Menschen, die im Rahmen des syrischen Bürgerkrieges in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind.
Dennoch haben die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine den Arbeitsalltag des Teams um Alexander Von der Heide quasi über Nacht auf den Kopf gestellt: „Es sind sehr viele Menschen in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum zu uns gekommen, mehr noch als bei den größeren Flüchtlingsbewegungen vor rund sieben Jahren. Das ist für eine Stadt unserer Größenordnung schon eine sehr herausfordernde Aufgabe – menschlich wie logistisch.“
Von der Heide ist Leiter der Abteilung für Jugend und Soziales bei der Stadt Georgsmarienhütte. Gemeinsam mit Abteilungsmitarbeiterin Ann-Kathrin Raufhake ist er somit für das zunächst wichtigste Ziel der Ankommenden zuständig: ein sicheres Dach über dem Kopf. „Personen, die aktuell aus dem ukrainischen Kriegsgebiet zu uns kommen, haben eine zum Teil traumatische Flucht hinter sich, sodass es in erster Linie darum geht, eine geschützte Unterkunft sicherzustellen, in der sie Ankommen können und eine gewisse Ruhe vorfinden“, so Raufhake. Deshalb verfolgt die Stadt das Ziel, möglichst alle Geflüchteten dezentral, also in Wohnungen oder in abgrenzbaren Räumlichkeiten, unterzubringen. Unmittelbar nach Beginn des Kriegs sind so beispielsweise zwei ehemalige Hausmeisterwohnungen im Stadtgebiet als Unterkunft hergerichtet worden. Auch wenn in der ersten Phase der Fluchtbewegung bereits einige Personen bei Freunden, Bekannten oder Verwandten untergekommen sind, reichen die stadteigenen Unterbringungsmöglichkeiten nicht aus: „Ohne die Hilfe und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger wäre eine dezentrale Unterbringung nicht möglich, deshalb haben wir frühzeitig um Unterstützung gebeten“, so Von der Heide.
Auf einer eigens eingerichteten Internetseite unter www.georgsmarienhuette.de/ukraine haben Bürgerinnen und Bürger über ein Online-Formular die Gelegenheit freien Wohnraum zu melden. Die bisherige Resonanz: überaus positiv. „Die Georgsmarienhütterinnen und Georgsmarienhütter sind glücklicherweise äußerst hilfsbereit und haben eine Vielzahl von Wohnungen oder Unterkünfte bei uns gemeldet. Das hilft nicht nur den Geflüchteten, sondern erleichtert auch unsere Arbeit enorm – ein großes Dankeschön dafür“, so der Abteilungsleiter.
Die gesammelten Angebote landen auf einer Liste und werden bei Bedarf abgearbeitet. Dabei versuchen Von der Heide und Raufhake bestmöglich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Vermieterinnen und Vermieter einzugehen, genauso wie auf die der Geflüchteten: „Wir schauen uns im Vorfeld die Wohnungen immer genau an und sprechen mit den Vermieterinnen und Vermietern, um dann relativ passgenau die Schutzsuchenden in eine freie Wohnung vermitteln zu können“, so Raufhake. Dieses Vorgehen sei wichtig, um zum Beispiel abzuklären, ob auch Haustiere erlaubt, die erforderliche Ausstattung oder ausreichend Räume vorhanden sind. Eine Verpflichtung, Schutzsuchende aufzunehmen, wenn eine Wohnung zuvor gemeldet wurde, besteht somit ausdrücklich nicht. Jeden Wunsch kann das Team der Sozialabteilung aber auch nicht erfüllen: „Das Kleinigkeiten hier und da einmal nicht passen kommt vor, aber insgesamt erleben wir bei unserer täglichen Arbeit eine große Dankbarkeit, genauso wie eine große Hilfsbereitschaft“, so die Sozialarbeiterin mit einer ersten positiven Bilanz.
Diese Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft wird auch noch an einer anderen Stelle deutlich. Damit die Schutzsuchenden Zugang zu Sozialleistungen sowie anderen wichtigen Unterstützungsangeboten erhalten, müssen sie registriert werden. Eine Aufgabe, die, was den Bereich Sozialhilfe angeht, ebenfalls vorrangig von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialabteilung erledigt wird. Aber eben nicht nur: Um die Anzahl der Fälle bewältigen zu können, haben sich auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Fachbereichen sowie Auszubildende gemeldet, um zu helfen wo es geht. Einer davon ist Konstantin Magel. Magel, der sonst in der Ordnungs- und Gewerbeabteilung tätig ist, spricht fließend Russisch und ermöglicht so einen auch in sprachlicher Hinsicht reibungslosen Ablauf: „Ich nehme die Schutzsuchenden, wenn sie zum Rathaus kommen, in Empfang und gehe mit ihnen den Antrag auf Asylbewerberleistung durch“, so Magel. Die leichte Verständigung ist dabei nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Vorteil, wie Magel herausstellt: „Nach den Anstrengungen der Flucht ist es für die Ankommenden erleichternd, wenn jemand da ist, der sie versteht. Das baut Ängste und mögliche Hürden schnell ab.“ Ähnliches haben städtischen Auszubildenden Alina Lanz und Veronika Güntner erlebt. Beide beherrschen ebenso die russische Sprache und haben die Sozialabteilung damit nicht nur beim Dolmetschen tatkräftig unterstützt, sondern auch bei den Wohnungsübergaben für die Schutzsuchenden.
Mit dem Antrag auf Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz geht auch die Anmeldung bei der Stadt einher. Hier ist es die Bürgeramtsmitarbeiterin Kim-My Mai, die sich hauptsächlich um die Schutzsuchenden kümmert. Dafür hat die Stadt ein eigenes kleines „Ankunftszentrum“ eingerichtet, um den bürokratischen Akt der An- oder Ummeldungen schnell und unkompliziert zu erledigen, aber auch um den normalen Betrieb im Bürgeramt aufrechterhalten zu können. Zusätzlich kümmert sich Mai auch um weitere Dienstleistungen, die die Schutzsuchenden in Anspruch nehmen können. Darunter zum Beispiel die Ausstellung des Georgsmarienhütter Familien- oder Hüttenpasses, mit denen die ankommenden Familien oder auch Einzelpersonen unterschiedlichste Vergünstigungen zum Beispiel bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs oder beim Eintritt in einigen Sportvereinen erhalten.
Bisher ist es der Stadt dadurch gelungen, alle den in den vergangenen Wochen aus der Ukraine geflüchteten Kindern, Eltern und Großeltern eine gesicherte Unterbringung zu ermöglichen und zeitnah die Anmeldung vorzunehmen. Abteilungsleiter Von der Heide ist optimistisch, dass dieses auch weiterhin gelingen wird: „Dank des Engagements der Bürgerinnen und Bürger haben wir noch Kapazitäten frei, sodass wir hoffentlich auch weiterhin die zu uns kommenden Menschen vernünftig und sicher unterbringen können.“ Deshalb gelte auch ein großer Dank denjenigen, die bereits Wohnraum gemeldet haben, wo aber eine Anmietung bisher nicht erfolgt ist. Von der Heide: „Niemand weiß wie lange der Krieg noch andauern wird und wie viele Menschen noch bei uns Schutz suchen werden. Um genauso gut aufgestellt zu bleiben, freuen wir uns deshalb sehr, wenn die bestehenden Angebote bestehen bleiben und natürlich auch, wenn noch neue hinzukommen.“
Auch für Bürgermeisterin Dagmar Bahlo sind die vergangenen Wochen gekennzeichnet von einer großen Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft: „Am Ende sind es die Städte und Gemeinden, egal ob klein oder groß, die die konkrete Hilfe sowie Integration vor Ort leisten und koordinieren müssen. Ein Kraftakt, der ausdrücklich nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern gelingt. Für das bisher geleistete und hoffentlich auch weiterbestehende Engagement, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Diesen engagierten Kurs werden wir mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus weiter fortführen, um zumindest unseren Teil dazu beisteuern zu können, dass die Folgen dieses fürchterlichen wie sinnlosen Kriegs abgemildert werden.“